Als Mensch in der Verantwortung

Im vorherigen Kapitel deutete ich mehrmals auf eine erkennbare Entwicklungsrichtung der Evolution hin.

Einige bekannte Forscher lehnen jedoch eine solche Betrachtensweise ab, nach welcher der Evolutionsverlauf zielgerichtet verlaufen würde. Sie sehen dessen Entwicklungsgang als ein Zufallsergebnis an, das von Mutationen und dem harten gegenseitigen Existenzkampf gesteuert wird.

Es ist auch offensichtlich, dass die Evolution keiner starren Steuerung unterliegt, sondern eher wie spielerisch verschiedenste Varianten ausprobierte, von denen viele nicht überlebensfähig waren.

Deshalb aber auf Ziellosigkeit zu tippen, das könnte ein Irrtum sein, der in unserer begrenzten menschlichen Intelligenz und eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeit beruhen könnte.

Auch ein Baum im Wald entwickelt Seitentriebe, von denen später wieder viele wegen Lichtmangel absterben und dennoch ist das gesamte Wachstum des Baumes gesteuert. Zwar nicht allein durch die im Baum genetisch festgelegte Wuchsform, sondern auch durch das von außen einwirkende Licht, dem der Baum entgegen wächst.

Wer von uns kann, bezüglich des Universums und unseres Planeten, alle, auch noch die unerforschten Einwirkungen erkennen und mit Gewissheit der Evolution ein möglicherweise bestehendes Entwicklungsziel absprechen?

Woran wollen wir in unserer Begrenztheit erkennen, dass entstandene Mutationen, welche nach wissenschaftlichen Ansichten zur Anpassung und Weiterentwicklung der Einzelwesen führten, wirklich ohne jeglichen Einfluss und somit wirklich nur zufällig entstanden sind?

Oder könnte es doch ein Bestreben in eine bestimmte Entwicklungsrichtung geben?

Ich erinnere wegen dieser Frage an die ursprünglich egoistische automatische Steuerung der Seele und die Aggression als ihre Antriebsenergie, bei den noch ganz unentwickelten Wesen. Danach entstand als erstes ausgeprägtes soziales Merkmal das beginnende spielerische Paarungsverhalten. Bei den schon etwas weiter entwickelten Wesen kam dann als nächstes das Brutpflegeverhalten mit dazu und noch etwas später, bei den Säugetieren, auch noch die veranlagte Mutterliebe, inklusiv Zärtlichkeiten.

Eindeutig ist mit zunehmendem Entwicklungsweg die alte egoistische und aggressive Ur-Steuerung der Seele durch soziale Komponenten überlagert worden, um somit einer immer ausgeprägteren sozialen Funktionsweise bezüglich dieser seelischen Steuerung zu zustreben.

Dadurch, dass diese Entwicklungsstufen für den Arterhalt keinerlei Vorteile bringen und alle drei ganz eindeutig Stufe um Stufe auf das selbe Ziel sich zubewegen, wird es ersichtlich, dass das alles einen erkennbaren Weg verfolgt. Damit wird deutlich: Die Evolution ist nicht ziellos, sondern zielgerichtet!

Zwar wird noch jeder Mensch, wie auch jedes Säugetier, mit einer unentwickelten Seele geboren. Doch besteht in dieser Seele schon die Veranlagung zu ihrer Weiterentwicklung. Doch diese Veranlagung muss mit Zuwendung und Liebe angeregt und gefördert werden, wenn sie sich entwickeln soll. Und genau das geschieht natürlicherweise durch die liebevolle Umsorgung durch die Mutter. Diese gebotene Möglichkeit der inneren Weiterentwicklung bei Tier und Mensch ist eine Fortführung des Weges auf das von der Evolution angestrebte Ziel. Es bedarf auch keiner großen Phantasie um, bei genauer Betrachtung des Entwicklungsverlaufes, zu erkennen, dass dieses Ziel der Umbau des seelischen Antriebes ist. Der Weg führt weg vom egoistisch aggressiven Antrieb und hin zu Liebe und sozialer Bindung. Tatsächlich kann ja auch die Liebe zu einer seelischen Antriebsenergie werden. Diese während des Lebensverlaufes sich bietende Möglichkeit könnte daher auf einen Sinn eines jeden Lebens hindeuten.

Da die Mutterliebe für diese seelische Weiterentwicklung die entscheidende Anregung liefert und diese nicht ausschließlich etwas menschliches ist, sondern bei allen Säugetieren veranlagt wurde, begünstigt die Natur nicht nur uns Menschen, sondern auch die Säugetiere in ihrer seelischen Weiterentwicklung.

Die folgende Integration und der Schutz in der Gruppe bzw. in der Herde und die später automatisch zustande kommende selbstlose Umsorgung von eigenem Nachwuchs, lassen noch weitere Hilfestellungen der Natur zur seelischen Höherentwicklung und Überwindung des egoistischen Ur-Antriebes während des Lebensverlaufes erkennen. Es sieht so aus, als ob diese Weiterentwicklung möglichst allen zumindest ein Stück weit gelingen solle, damit das Leben mit seinen Schmerzen und Entbehrungen von keinem Wesen umsonst gelebt wurde.

Da aber auch Tiere ohne ausgeprägte Intelligenz in einem intakten Umfeld diesem Ziel automatisch näher kommen und demnach auch wir Menschen ohne Intelligenz uns gleich gut wie die Tiere in dieser Richtung entwickelt hätten, ergibt sich daraus eine Frage: Wenn, neben dem Arterhalt, besonders in einer solchen sozialen Entwicklung ein Lebenssinn erkennbar wird, wozu verfügen wir Menschen dann überhaupt über eine erhöhte Intelligenz, wenn die, um dieses Ziel zu erreichen, nicht nötig ist?

Bedenkt man bei dieser Frage, dass der seelische Wandlungsprozess, vom egoistischen Ur-Antrieb zum sozialen Antrieb der Seele, sich noch in seiner Anfangsphase befindet, dann versteht man, warum das Sozialverhalten noch nicht generell zu allen Wesen und wenn überhaupt, dann auch meistens nur bezüglich des eigenen Familienverbandes funktioniert. Und dies ist nicht nur bei den Tieren so.

Bei der Mehrzahl der Menschen dominiert noch immer die angeborene egoistische Ur-Steuerung der Seele über deren Verhalten. Aggression, Geltungstrieb, Gier, Neid usw. sind unter Menschen daher noch überall verbreitet. Demnach kann diese zusätzliche Intelligenz eigentlich nur zu früh in uns entstanden sein. Denn diese Kombination von Intelligenz und Egoismus wirkt dem Ziel der Evolution voll entgegen!

War doch der Natur bereits der unterste, der pur egoistische, aber immerhin intelligenzlose Zustand auf Dauer nicht gut genug, so ist der  mit Intelligenz nun auslebbare Egoismus zur Katastrophe für sie und den ganzen Planeten geworden!

Der Mensch kann aus dieser Sicht niemals die Krone der Schöpfung sein! In dieser Kombination aus Egoismus + Intelligenz ist er für alle seine Mitlebewesen zu einem Ungeheuer geworden!

Verheerende Kriegsgeräte, Natur- und Umweltzerstörungen, Kernschmelze, herum pfuschen in den Genen, eine skrupellose Ausbeutung von Tieren und sogar der eigenen Mitmenschen, bis hin zur Sklaverei, aufgrund egoistischen Trachtens nach eigener Sicherheit, persönlichem Wohlstand, Macht und Anerkennung bezeugen die fatalen Auswirkungen dieser  Kombination. Die Intelligenz ermöglicht nun auch untereinander und gegeneinander ein solch niedriges Verhalten, wie es nicht einmal unter Tieren vorkommen kann. Sie ermöglicht uns raffinierteste Hinterhältigkeiten, das Lügen und Taktieren, Gedanken voller Hass und das schüren von Racheplänen.

Aber auch Menschen die nicht von Hass oder Gier erfüllt sind, werden durch ihren Egoismus zur negativen Anwendung ihrer Intelligenz verleitet. Die triebhaften Begehren sind noch da und die Intelligenz ermöglicht es, diese noch intensiver auszuleben, als ein intelligenzlos und egoistisches Wesen je dazu imstande wäre.

Die katastrophalen Folgen dieser Kombination zeigen es uns, dass der Mensch zu einer Fehlentwicklung verkommen ist. Und das wurde um so schlimmer, je umfangreicher wir durch unsere Forschung und durch Erfindungen zu Wissen und Fähigkeiten gelangt sind, die uns zu immer nachhaltigeren Eingriffen in der Natur befähigen.

Vielleicht hätte die Natur nur ganz gezielt jene Wesen mit Intelligenz ausstatten dürfen, die sich seelisch bereits ganz zu einem sozialen liebevollen Wesen gewandelt hatten. In dem Fall würde diese von Liebe und Mitgefühl erfüllte Seele die gegebene Intelligenz nur auf positive Weise und somit zur Minderung von Leid und Unrecht nutzen. So aber in unserer menschlich egoistischen Veranlagung bewerkstelligen wir mit der gegebenen Intelligenz genau das Gegenteil! Wir schaffen immer mehr Leid in unserer Umwelt und auch untereinander, weil jeder nur noch nach seinem eigenen Vorteil, Lebenskomfort und seiner Sicherheit strebt. Dazu kommen Rangstreben, Geltungstrieb, Gier, Geiz, Neid Eifersucht, Ellbogenmentalität und Brutalität, aber auch rein mathematisches Denken bezüglich eines rücksichtslosen Gewinnstrebens. Dies alles ist zwar menschlich normal, da ja auf allerniedrigstem angeborenem Niveau veranlagt, aber bei erwachsenen Menschen sind das Merkmale einer in ihrem bisherigen weiteren Lebensverlauf nicht oder nur geringfügig erfolgten inneren Entwicklung. Und diese innere Entwicklung ist völlig unabhängig von dem bisher erworbenen Wissensstand und der damit erreichten gesellschaftlichen Stellung.

Wer nicht rücksichtslos und asozial sein ganzes Leben nur seinem inneren Affen opfern, sondern seinen Lebenssinn verwirklichen will, für den ergibt sich aus einer solchen Betrachtensweise kein Freibrief für die beliebige Anwendung seiner Intelligenz. Wir dürfen nicht alles machen, wozu sie uns befähigt! Und da jeder Einzelne ein eigenes Teilchen von dieser dramatischen Fehlentwicklung darstellt, steht auch jeder einzelne in der schwerwiegenden Verantwortung diese verheerende Fehlentwicklung in sich nicht weiter zu fördern, sondern zu beenden und wenigstens seine Intelligenz auf positive Weise einzusetzen. Z.B. könnten wir viel gelassener und weniger streitsüchtig auf manches Fehlverhalten anderer reagieren, wenn wir nicht immer sofort hinterhältige Bosheit oder taktische Absichten unterstellen würden. Sobald wir uns den egoistischen seelischen Steuerungsautomat vor Augen führen und uns daran erinnern, dass das alles angeborenen ist, dann wird uns bewusster, dass vieles Fehlverhalten ohne böse Absicht, nur vom inneren Affen bei seinem gedankenlosen Streben nach Wohlergehen verursacht wird. Damit kann man dann leichter verzeihend darüber hinwegsehen, als bei einem absichtlichen Verhalten. Dies den anderen sein lassen, wie er ist, das gelingt um so mehr, je eher man daran denkt, dass erstens Selbsterkenntnis und dann auch noch die Selbstbeherrschung stark genug sein müssen, um überhaupt gegen den inneren Affen anzukommen und ein eigenes Fehlverhalten zu verhindern.

Auch wird ein etwas häufiger vorkommendes soziales Fehlverhalten eines Mitmenschen leichter hinzunehmen sein, wenn man bedenkt, dass seelische Höherentwicklung sehr stark von der liebevollen Zuwendungen aus dem Umfeld abhängig ist und nicht jeder bisher ein derart günstiges Umfeld hatte, um eine seelische Höherentwicklung zu erreichen. Daher ist mancher Mitmensch auch unverschuldet auf der angeborenen, noch ganz niedrigen asozialen Stufe hängen geblieben.

Sich in diese Lage des anderen hineindenken kann aber zusätzliches Verständnis wecken, so dass es leichter fällt, mit ihm nachsichtig zu sein.

Manchmal mag es aber auch besser sein, den Kontakt zu reduzieren, anstatt immer nur sinnlos miteinander zu streiten.

Auch ist das Hinterfragen bezüglich eigener Kaufwünsche oder eigener Zielvorgaben, eine Art, um unsere Intelligenz in positiver Weise zu nutzen. So können wir manchmal erkennen, dass die beabsichtigte Anstrengung um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, der ganzen Mühe nicht wert ist, die man dafür investiert. Diese Erkenntnis entsteht sobald man sich des steuernden Einflusses des inneren Affen bei der Zielsetzung bewusst geworden ist und wenn man dabei die Dummheit oder Ich-Verhaftung des ganzen diesbezüglichen Strebens durchschaut.

Um die eigene innere Fehlentwicklung, diese Kombination von Egoismus und Intelligenz, weitgehend zu beseitigen, gibt es aber nur einen Weg. Es ist die innere Entwicklung, hin zu Mitgefühl, Liebe und Hilfsbereitschaft. Wenn Mitgefühl oder Liebe und dazu Hilfsbereitschaft auch noch ohne Selbstdisziplin ganz wie von selber aus der Seele strömen, dann ist die Seele mit ihrer automatischen Steuerung auf dem neuen Niveau angelangt. Dann war die anfangs schwere Geburt und alles Weinen und Mühen in diesem Leben nicht umsonst, dann hat sich dieser Lebensweg gelohnt! Ein solcher Mensch ist dann auch nicht mehr die tierartige, intelligente Missgeburt, sondern mit seiner sozial gesteuerten Seele wirklich zu etwas pubertiert, das man als Krone der Schöpfung anerkennen könnte.

Da in einem solchen Fall für eine soziale Lebensweise Seele und Verstand nicht mehr gegeneinander wirken, sondern wegen des ganz anderen automatisch seelischen Begehrens nun gemeinsam in die soziale Richtung wirken,  bedarf es zur positiven Lebensweise auch keiner weiteren Selbstbeherrschung mehr. Somit bleibt ein solcher Mensch auch bei der positiven Anwendung seiner Intelligenz von inneren Konflikten und inneren Spannungen verschont, denen er zuvor auf seinem Entwicklungsweg noch ausgesetzt war.

Da eine solche seelische Weiterentwicklung vertrauensvolle und liebevolle Impulse aus dem Umfeld braucht, bleibt als Aufgabe eigentlich nur der achtsame und liebevolle Umgang mit seinen Mitmenschen und mit den Tieren. Über das damit ausgelöste Gefühlsecho erhält man dann selber positive Impulse zurück. Solches kann sich gegenseitig aufschaukeln, zu inneren Bindungen führen, bis ganz automatisch Zuneigung aus der Seele zu strömen beginnt und das Mitgefühl selbstlos zum Handeln drängt.

Wenn dann das Mitgefühl auch noch die Bande der einem nahe stehenden Wesen überspringt und sich auch auf andere Menschen und auf die Tiere ausweitet, dann ist der Mensch nicht mehr in der Lage Tiere verächtlich zu behandeln oder gar zu töten, da er dann mit allen Wesen mitfühlend ist. Demnach kann man davon ausgehen, dass der seelische Entwicklungsstand eines Menschen nicht nur am Umgang mit seinen Mitmenschen, sondern viel deutlicher an seinem Umgang mit den in unserer Gesellschaft als besonders niedrig eingestuften und doch empfindsamen Wesen, wie z.B. den Tieren, erkennbar wird.

Gerade liebevoll erzogene Hunde, aber auch andere Tiere sind mit ihrer Zuneigung für viele Menschen nicht nur die wichtigsten, sondern auch die zuverlässigsten Helfer für eine innere Weiterentwicklung. Für manche Menschen sind sie leider auch nur die einzigen Helfer. Daher sollten wir mit Tieren sehr viel liebevoller umgehen, um durch ihre zum Ausdruck kommende vertrauensvolle Anhänglichkeit und Zuneigung Entwicklungsimpulse für unsere eigene innere Weiterentwicklung zu bekommen.

Wegen der Intelligenz lastet eine große Verantwortung auf jedem

Einzelnen, um diese nicht zu missbrauchen.

Zur positiven Anwendung der Intelligenz gehört es auch,

das Lebensrecht eines anderen Wesens, als ein ihm

von der Natur gegebenes Recht, anzuerkennen.

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